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  • Kaninchen vor dem Drachen oder Reiter auf dem Drachen? - China

      1. Einleitung
      Der Import chinesischer Waren und auch die Anzahl der Gründungen chinesischer Firmen in Deutschland wachsen rapide – Wie stellen wir uns dieser Herausforderung?

      Gleichzeitig wachsen die Märkte Asiens - besonders Chinas - ebenso schnell und bieten neue Möglichkeiten. Wie können wir sie nutzen?

      Diese beiden auf den ersten Blick separaten Fragen lassen sich in interessanter Weise verknüpfen und gemeinsam beantworten:


      2. Chinesische Firmen in Deutschland
      Die Schlagzeilen in der Presse plakatieren es regelmäßig, ein Griff in die Regale, zum Beispiel im Spielzeugladen oder im Bekleidungsgeschäft zeigt das wachsende Engagement der chinesischen Wirtschaft in Deutschland. Die Importe chinesischer Waren nehmen von Jahr zu Jahr zu. Sie haben sich von 2000 bis 2007 auf 54,6 Mrd. EURO verdreifacht (Statistisches Bundesamt). Importiert wird im großen Stil durch viele deutsche Handelshäuser, und eine wachsende Menge von Waren gelangt durch Kleinimporte zu uns, zum Beispiel ist dies eine beliebte Methode für chinesische Studenten in Deutschland, sich das Studium hier zu finanzieren.
      Auch die Gründungen chinesischer Firmen in Deutschland werden jedes Jahr zahlreicher. Nordrheinwestfalen meldet zum Beispiel ein jährliches Wachstum der Firmengründungen von 15%, heute sind 460 chinesische Firmen in NRW ansässig. Hamburg als einzelne Stadt hatte bereits in Jahre 2005 360 chinesische Unternehmen angesiedelt. Die Abläufe sind eingefahren, Städte werben direkt in China um Investitionen in ihrer Region, Rechtsanwälte, Steuerberater, Versicherungsmakler haben eigene Chinareferate eingerichtet. Zum Beispiel im Raum Frankfurt mit 224 chinesischen Firmen leben bereits über 6000 Chinesen und es gibt dort inzwischen 3 chinesische Schulen.
      Da unser Heimmarkt nur wenig wächst, kann das chinesische Wachstum hier nur durch Verdrängung stattfinden. Da leiden nicht nur deutsche Hersteller, sondern auch andere Länder, die nach Deutschland exportieren. So hat zum Beispiel kürzlich ein thailändischer Hersteller von Backwaren innerhalb kurzer Zeit seinen gesamten gut etablierten Markt in Europa verloren, weil er von chinesischen Konkurrenten bei vergleichbarer Qualität unerreichbar preislich unterboten wurde.
      Ein interessanter Meilenstein wird auch das Flughafenprojekt in Parchim, Mecklenburg-Vorpommern sein. Ein chinesischer Investor will diesen Flughafen zur Drehscheibe im Handel mit China ausbauen.


      3. Unser Engagement in China
      Unsere Großkonzerne sind längst alle in China etabliert und auf den Wettbewerb mit chinesischen Firmen in Asien und in Europa eingestellt. Ein Teil des Mittelstandes tut sich da noch schwer. Die Geschäfte in Deutschland laufen zur Zeit gut, die Kapazitäten sind ausgelastet, weshalb also Aufwand und Risiken einer Markterschließung in Asien auf sich nehmen?

      Psychologisch lässt sich eine solche Abwehrhaltung gut nachvollziehen: Die gute Geschäftslage lässt wenig Zeit zum Nachdenken über neue unternehmenspolitische Ausrichtungen. Es gibt keinen unmittelbaren Leidensdruck, es geht ja alles gut. Es macht Angst, vertrautes geschäftliches und kulturelles Territorium zu verlassen und ins Abenteuer zu ziehen. Da werden schnell Geschichten von gescheiterten Versuchen in China bemüht. Ein erster Blick auf das Preisniveau in China ist leicht entmutigend: „das schaffen wir nie“, „die machen Dumping“. – Dumping und ruinöser Wettbewerb waren früher in China sicher tatsächlich weit verbreitet, nicht aus strategischem Kalkül, sondern aus purer Unwissenheit über die eigene Kostenstruktur. Eine transparente Kostenrechnung gab es bei den Staatsunternehmen nicht und musste mit der Privatisierung erst schmerzlich erlernt werden. Heute ist das anders: Ein großer Teil der chinesischen Unternehmen ist privatisiert und die erfolgreichen unter ihnen haben sehr wohl ihre Kosten fest im Griff. Auch die Tatsache, dass manche chinesische Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht nach den ethischen Maßstäben behandeln, die wir in unserer Kultur für richtig halten, ist kein unüberwindbarer Wettbewerbsvorteil. Ein vernünftiger und ethisch vertretbarer kultureller Kompromiss zieht besonders motivierte und gut qualifizierte Mitarbeiter an, mit denen eine höhere Effizienz erreichbar ist. Dies kompensiert den genannten Kostennachteil und ist zusätzlich noch wesentlich nachhaltiger.


      4. Eine Lösung liegt in der Verknüpfung der beiden Fragen:
      „Wie begegne ich der wachsenden Konkurrenz aus China im deutschen Markt?“ und „Wie nutze ich die Möglichkeiten der wachsenden Märkte Asiens?“
      Der Einstieg im chinesischen Markt bietet nicht nur interessante Geschäftschancen, sondern erlaubt gleichzeitig auch, den Wettbewerb mit chinesischen Firmen zu erlernen.

      Gerade in guten Zeiten soll für die Zukunft vorgesorgt werden. Das Aufbauen von finanziellen Reserven reicht da nicht. Neue Marktpositionen aufzubauen kostet nicht nur Geld, sondern vor Allem auch Zeit, und die hat man in kritischen Phasen nicht mehr.

      Im chinesischen Markt zu bestehen heißt auch, das Qualitätsverständnis des Kunden zu erkennen, und die Kostenstruktur den Marktpreisen anzupassen. Hier haben Synergien zwischen dem chinesischen Engagement und dem Standort in Deutschland immer wieder interessante neue Wege eröffnet. Wege, die zum Zeitpunkt der strategischen Entscheidung über einen Markteinstieg kaum zu erahnen waren.

      Gewiss birgt ein Markteinstieg in China erhebliche unternehmerische Risiken und einen großen Managementaufwand. Aber wie groß ist das Risiko auf dem Heimmarkt, wenn das Unternehmen die „Kaninchen-vor-dem-Drachen“ – Strategie einschlägt? Der Wettbewerb aus Asien wird kommen, in fast allen Branchen. Der Ruf nach Schutzzöllen oder anderem Protektionismus wäre töricht, er widerspricht den deutschen Exportinteressen, er währe international nicht durchsetzbar und er würde die heimische Industrie konkurrenz-unfähig machen. Unternehmen, die in Asien „geübt“ haben und gelernt haben, mit Kostenstruktur und Wettbewerbsverhalten im chinesischen Markt zu bestehen, brauchen die Konkurrenz im Heimmarkt auch nicht zu fürchten. Der „Ritt-auf-dem-Drachen“ lohnt sich allein deshalb schon.

      Das Zauberwort „Produktionsverlagerung nach China“ gilt aber nicht bedingungslos. Ein einfaches Streichen deutscher Arbeitsplätze dient der Gesellschaft und der Volkswirtschaft ebenso wenig wie ein protektionistisches Abschotten gegen die chinesische Wirtschaft.
      Oft ist es sinnvoll, Produkte für den chinesischen Markt in China zu fertigen. So kann man das eigene Know how mit der landesüblichen Kostenstruktur gewinnbringend verknüpfen. Kernthemen sind in diesem Fall Kulturelles Verständnis, der Schutz des eigenen Know how, Führung und finanzielle Kontrolle in China.
      Will man hingegen in China für den deutschen Markt fertigen, müssen zusätzlich zur kulturellen Brücke auch Qualitätsmanagement, Logistik, Transport- und Zollkosten stimmen.
      Oft bietet sich ein Fabrikationsverbund an mit einer intelligenten Verteilung der Aufgaben zwischen einer chinesischen und einer europäischen Fertigungsstätte. So lassen sich die unterschiedlichen Bedürfnisse der Märkte mit optimierten Kosten bedienen. Im Einzelfall hängt die Entscheidung von der Komplexität der Produkte, von Faktoren wie der Stückzahl und den relativen Transportkosten ab. Eine Optimierung solcher Produktionsfaktoren und -Strategien macht „fit“ für den Wettbewerb, weltweit.

      Die Einstiegsrisiken lassen sich mit professioneller Hilfe reduzieren. Der vermeintlich billige Einstieg, „machen wir schnell eine Firma in Asien auf und dann sehen wir weiter“ führt erfahrungsgemäß über so viele Lernschleifen, dass eine ehrliche Kostenbetrachtung eine erschreckende Akkumulation von nicht geplanten Kosten erkennen lässt. Es lohnt, einen Fachmann hinzuzuziehen, der in den Geschäftskulturen Asiens zuhause ist und dadurch so manche Schleife abkürzen kann.

      Firmen, die gelernt haben, im chinesischen Markt zu bestehen, brauchen auch im heimischen Markt die wachsende Konkurrenz aus China nicht zu fürchten.
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